November 15

Meetings als „Wissenskiller“

Sie sitzen auch öfter in Meetings und denken sich: Viel Gerede – geht das nicht einfacher? Oder Sie ertappen sich bei dem Gedanken: Kein überzeugendes Argument – das kann so nicht sein?

Schon Thomas Henry Huxley sagte im 19. Jahrhundert: „No mistake is so commonly made by clever people as that of assuming a cause to be bad because the arguments of its supporters are, to a great extent, nonsensical.“

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Also: Was nicht schlau klingt, stimmt nicht oder kann nicht so wichtig sein…
In unseren Unternehmen gibt es aber sehr sehr viel Wissen, das von denen die es haben nicht logisch, klar und schlüssig verbalisiert werden kann. Die Wissensträger können dieses Wissen bestenfalls zeigen. Oder aber man kann es, indem man die Menschen bei der Arbeit begleitet, vielleicht selbst erfahren – auch, da sich die Wissensträger dieses Wissens manchmal gar nicht selbst bewusst sind. Dazu gehören Facharbeiter übrigens genauso wie Vorstände.

Und genau da kranken Meetings: alles muss verbalisiert werden
So werden in einem chemischen Produktionsunternehmen Meetings um Meetings durchgeführt um heraus zu finden, warum/wie/wann immer ein bestimmtes Ventil kaputt geht. Ishikawa, 5-W, Powerpointfolien, langatmige Beschreibungen… man kommt nicht so richtig weiter.
Fakt ist aber, dass bestimmte Maschinenführer so etwas wie einen siebten Sinn zu haben scheinen, der ihnen sagt: „Maschine runterfahren, da stimmt was nicht.“ Und fest steht auch, dass die meistens recht haben.
Nur können die Maschinenführer das nicht so richtig erklären, was da in ihnen passiert.
Genauso wenig kann einem übrigens häufig beim genauen Nachfragen ein Vorstand oder ein Militärgeneral erklären, warum er jetzt, bei fast gleicher Datenlage, die Stratgie Y der Strategie Z vorzieht.
Anderes Beispiel: Wie kommen Sie mit dem Fahrrad über eine stark befahrene Kreuzung wenn die Ampel defekt ist? Bilden Sie sich nicht ein, Sie wären in der Lage, alle Daten kurz mal zu erfassen und dann mathematisch-logisch die richtige Entscheidung zu treffen! Das funktioniert irgendwie anders. Wie genau, das wissen wir aber noch nicht…

„Wir wissen mehr als wir zu sagen wissen“ (M. Polanyi)

Es gibt eben nicht immer den 1-5 Bulletpoint-Kriterienkatalog. Es ist häufig mehr so etwas wie Intuition. Ein Klopfen mit dem Schraubenzieher, ein bestimmter Sound. So ein „Feeling“, bestimmte Vor-Erfahrungen. Eine Entscheidung, die basiert ist auf einer Kombination nicht eindeutig beschreibbarer Wahrnehmungen und Interpretationen.

Wissenschaftler, die sich mit diesem Wissen beschäftigen, gehen davon aus, dass ein großer Teil unseres Wissens nicht für andere verständlich verbalisierbar ist. Noch deutlicher mag diese Diskrepanz bei Menschen sein, die sich nicht so gut sprachlich ausdrücken können.

Wie sollen Unternehmen denn mit diesem „nicht verbalisierbaren Wissen“ umgehen?
Halten wir fest: Meetings sind häufig nicht effektiv denn
– unbewusstes Wissen und das, was die Forschung auch „Embodied Mind“ nennt, ist kaum im Meeting bearbeitbar, da es von den Wissensträgern nicht so verbalisiert werden kann, dass es die anderen verstehen. Und, da dieses Wissen eben häufig das Wesentliche ist, um Probleme zu lösen, helfen Meetings nicht weiter.

Meetings abschaffen?!
Hm, nicht direkt. Aber. Geben Sie den Mitarbeitern viel mehr Raum für informelle Gespräche direkt am Arbeitsplatz. Auch wenn Sie dort mal kurz über das letzte Spiel von Borussia Mönchengladbach sprechen und es nicht so eine tolle Todo-Liste als Ergebnis gibt.
Die Tendenz, jeglichen Wissensaustausch im Unternehmen via Meetings, Wikis, Action-Plänen, Agendas etc. zu formalisieren führt nämlich dazu, dass nur das Wissen transportiert wird, das auch verbalisierbar ist. Und das ist zu wenig oder eben gerade das Falsche!
Sagen Sie Ihren Ingenieuren, dass Sie mal wieder selber in die Produktion gehen sollen um mit dem Meister oder Maschinenführer zu reden – anstatt zig Mails hin und her zu schreiben. Lassen Sie sich Probleme direkt vor Ort erklären und vor allem zeigen.
Oder, arbeiten Sie mal selber mit dem Softwaresystem, über das Ihre Mitarbeiter immer stöhnen, weil es viel zu kompliziert sei – wo Ihnen aber bisher die logisch-klare Begründung gefehlt hat was, warum, wieso und weshalb denn da genau nicht so gut dran sei.

Fazit:
Meetings gehören nicht abgeschafft – aber sie dürfen die informelle Kommunikation im Unternehmen nicht abschnüren sondern müssen sie komplementär ergänzen. Denn sonst werden Meetings zum Wissenskiller.

Quellen/further reading:
Böhle, Fritz (2009): „Mitarbeiter als Gestalter von Veränderungen – Warum TQM und andere Managementansätze häufig scheitern“ gehört auf dem Fachkongess Celler Impulse in Celle, 12.11.09 ->Veranstaltungsflyer, pdf

Schilcher, C. (2006): Implizite Dimensionen des Wissens und ihre
Bedeutung für betriebliches Wissensmanagement. Dissertation, TU
Darmstadt Download (EPDA – Elektronische Publikationen Darmstadt, zuletzt 15.11.09)

Böhle, Fritz (2008): Veränderung durch „Integration von unten“. In: Personalführung, Heft 9/2008, S.46-51


Tags

erfahrungslernen, implizites wissen, informelle kommunikation, meetings, wissensmanagement


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